Julian Assanges Auftritt vor dem Europarat

Ende Juni 2024 kam Julian Assange nach 14 Jahren frei. Nun spricht er vor dem Europarat erstmals öffentlich über seinen Fall. 2010 veröffentlichte Assanges Whistleblower Plattform WikiLeaks hunderttausende geheime US-Militärdokumenten, welche amerikanische Kriegsverbrechen dokumentierten. Deshalb wurde er verfolgt. Es ist bemerkenswert wie gut er die lange Isolationshaft und psychische Folter überstanden hat, die ihm angetan wurde.

Es lohnt sich sehr den Fall des Wikileaks-Gründers zu studieren und die dahinterstehenden Mechanismen zu verstehen. Er bietet einen seltenen Einblick in die Art und Weise, wie mächtige Geheimdienstorganisationen grenzüberschreitende Repressionen durchführen. Solche Repressionen sind nicht einzigartig. Einzigartig ist, dass wir so viel über diesen Fall wissen und dieser bestens dokumentiert ist. Drei einfache Fragen, die helfen den Fall zu verstehen.

Julian Assange ist ja nun frei und die Gerechtigkeit hat gesiegt. Wo liegt nun das Problem?

Julian Assange ist frei – das stimmt. Dies jedoch erst nachdem er 14 Jahre Freiheitsberaubung erlitten hat und sich von den USA auf den Marianen Inseln verurteilen lies – mit Gerechtigkeit oder einem funktionierenden System zum Schutz von Journalisten und Whistleblower hat dies aber nichts zu tun. Der O-Ton von Assange dazu:

«Ich entschied mich schließlich für die Freiheit und gegen eine realisierbare Gerechtigkeit, nachdem ich jahrelang inhaftiert war und mir eine 175-jährige Haftstrafe ohne wirksame Rechtsmittel drohte. Gerechtigkeit für mich ist nun ausgeschlossen, da die US-Regierung in ihrer Vereinbarung schriftlich darauf bestand, dass ich keine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder gar einen Antrag auf Informationsfreiheit über das, was sie mir aufgrund ihres Auslieferungsersuchens angetan hat, einreichen kann.

Ich möchte mich klar ausdrücken. Ich bin heute nicht frei, weil das System funktioniert hat. Ich bin heute nach Jahren der Inhaftierung frei, weil ich mich des Journalismus schuldig bekannt habe. Ich habe mich schuldig bekannt, Informationen von einer Quelle eingeholt zu haben. Ich habe mich schuldig bekannt, Informationen von einer Quelle erhalten zu haben. Und ich habe mich schuldig bekannt, die Öffentlichkeit über diese Informationen informiert zu haben. Für etwas anderes habe ich mich nicht schuldig bekannt.»

In Europa sind wir durch unsere Gesetze und Gerichte geschützt – oder?

Die US-Regierung hat mit Julian Assanges Fall eine gefährliche neue globale Rechtsposition durchgesetzt. Nur US-Bürger haben das Recht auf freie Meinungsäußerung. Europäer und andere Nationalitäten haben kein Recht auf freie Meinungsäußerung, aber die USA behaupten, ihr Spionagegesetz gelte auch für sie, unabhängig davon, wo sie sich befinden. Europäer in Europa müssen also das US-Geheimhaltungsgesetz befolgen, ohne sich dagegen wehren zu können. Das US-Gesetz gilt weltweit für alle.

Diese Logik dürfte viele Menschen erstaunen. Sie ist jedoch eine logische Konsequenz des «amerikanischen Exzeptionalismus» – der Hausideologie der amerikanischen Eliten. Exzeptionalismus sagt etwas verkürzt dargestellt: Wir lassen uns nur in internationale Normen einspannen, wenn wir einen Vorteil davon haben. Wenn wir keinen Vorteil davon haben, bedeuten sie uns nichts, denn die amerikanische Nation ist außergewöhnlich. Wir tun und lassen auf der ganzen Welt, was wir wollen. Das Verständnis dieser Ideologie ist wichtig, um vergangene aber auch aktuelle internationale Konflikte zu verstehen.

Was hat WikiLeaks eigentlich genau gemacht?

Die Antwort des Gründers am 1. Oktober 2024: «Als ich WikiLeaks gründete, hatte ich den einfachen Traum, die Menschen darüber aufzuklären, wie die Welt funktioniert, damit wir durch Verständnis etwas Besseres bewirken können. Wenn wir eine Karte haben, auf der wir sehen, wo wir sind, können wir verstehen, wohin wir gehen können. Wissen befähigt uns, die Macht zur Rechenschaft zu ziehen und Gerechtigkeit zu fordern, wo es keine gibt. Wir haben die Wahrheit über Zehntausende von versteckten Kriegsopfern und andere ungesehene Schrecken über Programme zur Ermordung, Überstellung, Folter und Massenüberwachung herausgefunden und veröffentlicht.»

Die Nachdenkseiten haben die ganze Rede von Julian Assange vom 1. Oktober ins Deutsche übersetzt. Das Video des Auftritts in Englisch wurde von PACE_TV produziert.

weitere Quellen:

https://en.wikipedia.org/wiki/Parliamentary_Assembly_of_the_Council_of_Europe

https://dfcdf15ff2.clvaw-cdnwnd.com/99649be4ac1e5d0d681a1e37bae9eb55/200000174-239ab2494e/Prof.%20Rainer%20Mausfeld%20-%20Das%20Schweigen%20der%20L%C3%A4mmer.pdf

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