Bundesratspressekonferenz zur Neutralitätsinitiative.
Der Bundesrat bekräftigte in der Pressekonferenz zur Botschaft zur Neutralitätsinitiative seine ablehnende Haltung. Er will maximalige Flexibilität bei der Anwendung der Neutralität und verpasst damit eine Gelegenheit, diese klarer zu definieren, um sich künftig glaubwürdiger für den Frieden einsetzen zu können.
Ein Ja zur Initiative würde in den Worten des Bundesrates eine Abkehr von der bewährten Flexibilität bei der Anwendung der Neutralität bedeuten. «Auch nach der Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland, welche den Anstoss für die Neutralitätsinitiative gegeben haben, werde die Schweiz von allen Ländern in der Welt, ausser Russland, als neutral wahrgenommen. Der Einsatz der guten Dienste zur Friedensförderung funktioniere und beweise, wie wichtig eine dem Zeitgeist angepasst Neutralität sei» – so Cassis.
Doch stimmt das? Aufschlussreich war die letzte Frage der Pressekonferenz: Ein Journalist hackte nach, ob unser Ziel der Friedensförderung an der Bürgenstock-Konferenz nicht besser erreichbar gewesen wäre, wenn die Schweiz die Neutralitätsinitiative schon angenommen hätte, nie Russlandsanktionen von der EU übernommen worden wären und Russland an den Verhandlungen teilgenommen hätte. Die Antwort von Bundesrat Cassis war bezeichnend «Wenn wir im 2022 bei Kriegsausbruch nicht die EU-Sanktionen mitgetragen hätten, kann man sich leicht vorstellen was dies für die Wirtschaft, die Sicherheit und die Reputation unseres Landes bedeutet hätte…». Etwas entspanntere Handelsbeziehungen und der «Solidarisierungs-Herdentrieb» waren also die Treiber für den Entscheid zur Sanktionsübernahme. Wirtschaftliche Interessen und das Bedürfnis, auf der richtigen Seite zu stehen, haben offensichtlich dominiert. Flexible Neutralität wäre demnach ein anderes Wort für Opportunismus und den Weg des geringsten Widerstands.
Spannend war auch die Wortmeldung des Journalisten Dominik Feusi an der Pressekonferenz. Nach seiner Ansicht hat der Bundesrat in der Vergangenheit die Neutralität flexibel gehandhabt, aber stets kommuniziert, dass die Schweiz eine immerwährende, strikte Neutralität pflege. Dies habe nicht der Wahrheit entsprochen, werde nun sichtbar und sei schwer erklärbar.
Wie geht’s nun weiter mit der Neutralitätsinitiative? Als nächstes wird der Ständerat und danach der Nationalrat darüber befinden. Bis es zur Abstimmung kommt, wird es voraussichtlich noch ein bis zwei Jahre dauern. Die Vorbereitungen für den Abstimmungskampf haben aber schon begonnen. Zahlreiche Zeitungen betonen bei jedem Bericht, dass Christoph Blocher der Urheber der Initiative sei, und verursachen mit dem Festigen dieser Wahrnehmung bei einem Grossteil Ihrer Leserschaft eine Ablehnung der Initiative aus ideologischen Gründen. Die FDP Schweiz bezeichnet die Neutralitätsinitiative gar als „Pro-Putin“ Initiative und macht sich daher für friedensinteressierte Menschen nahezu unwählbar. Um der Brandmarkung der Neutralitätsinitiative als rechtskonservatives Anliegen etwas entgegenzusetzen, gab es Anfang November ein Treffen von „nicht bürgerlichen Kreisen“. Unter dem Arbeitstitel „NATO oder Frieden – Ja zur Neutralitätsinitiative“ wurden Kampagnenideen ausgetauscht und für den Frieden gesungen. Ein Schritt in die richtige Richtung, damit der Abstimmungskampf nicht nach dem Muster „alle gegen die SVP“ stattfinden kann.
Quellen:
Medienmitteilung zur Pressekonferenz vom 27.11.2024
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-103338.html
Botschaft des Bundesrats zur Neutralitätsinitiative
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/90843.pdf
Pressekonferenz Ignazio Cassis 27.11.2024
https://youtu.be/QcztCt1gmfA?list=PLEnHzNShzOwYkw0paTCPfYSkqnw0U7yZs&t=282
Neutralitätsinitiative – Geschäft 24.092
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20240092
Bericht Kommission Sicherheitspolitik August 2024
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/89334.pdf
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