Kurzzusammenfassung zu ausgewählten Themen
Vom 9. bis zum 27. September findet die Herbstsession 2024 statt. Eine Kurzzusammenfassung zu ausgewählten Themen der zweiten Woche.
4 Milliarden zusätzliche Investitionen in die Armee bewilligt
Der Nationalrat will bis 2028 vier Milliarden mehr, insgesamt 29.8 Milliarden für die Armee ausgeben. Die grosse Kammer will die höheren Armeeausgaben damit über einen tieferen Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer und mit Sparmassnahmen gegenfinanzieren. Der Entscheid fiel mithilfe der Stimmen von SVP, FDP und einem Teil der Mitte. Die Ratslinke war geschlossen dagegen und verschickte direkt nach der Abstimmung eine Medienmitteilung – «Der heutige Entscheid ist eine Katastrophe für die soziale Schweiz. Mitte-Rechts rüstet massiv auf – und das auf Kosten der Ärmsten.»
Kommentar Politbeobachter:
Mehr Waffen führen nur in den seltensten Fällen zu einer erhöhten Sicherheit. Investitionen in die Armee sollten daher so tief wie möglich gehalten und auf plausible Bedrohungsszenarien fokussiert werden. Zur Finanzierungsfrage: Die Existenz der Schuldenbremse ist unbestritten und entsprechend muss das Parlament diese auch umsetzen. Es ist bedauerlich, dass für Aufrüstung in verschiedensten Bereichen nun gespart werden muss, doch das Ringen um begrenzte finanzielle Mittel gehört zum politischen Prozess. Wer an einem Ort mehr ausgeben will, muss anderswo sparen.
Nationalrat will Sicherheit um Asylzentren erhöhen
Es wurden verschiedene in der bereits gelebte Disziplinarmassnahmen nun gesetzlich verankert. Zusätzlich sollen der Anwendungsbereich und die Instrumente der Behörden ausgeweitet werden. Die grosse Kammer sagte Ja zu verschiedenen Änderungen im Asylgesetz. Diese sollen die Sicherheit von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie von den Mitarbeitenden in Bundesasylzentren verbessern. Der Nationalrat stimmte allen Vorschlägen zu und ging in zwei Punkten weiter als die Landesregierung: So soll die Zone um die Bundesasylzentren vergrössert werden, in dem gegen Asylsuchende Disziplinarmassnahmen ergriffen werden können, wenn ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Zudem sollen Mitarbeitende des Staatssekretariats für Migration (SEM) auch elektronische Geräte wie Handys von Asylsuchenden zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung konfiszieren können.
Armee soll an NATO-Verteidigungsübungen gegen russische Angriffe teilnehmen
Die Schweizer Armee soll laut dem Ständerat weiterhin an Nato-Bündnisfallübungen teilnehmen können. Die kleine Kammer lehnte einen im Nationalrat im Sommer noch angenommenen Vorstoss für ein Verbot solcher Übungen ab. Damit ist das Geschäft vom Tisch. Der Abstimmung ging eine angeregte Diskussion rund um die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Verteidigungsbündnis voraus. Ob dies die Neutralität tangiert, wurde unterschiedlich beurteilt.
Kommentar Politbeobachter:
Der Ständerat, der oft als «Chambre de Reflexion» bezeichnet wird, scheint hier für einmal nicht zu reflektieren. Sicherheit für die eigene Bevölkerung schafft man in Konfliktsituationen nicht, indem man Partei ergreift, sondern durch eine neutrale und bestenfalls vermittelnde Position. Zur Debatte: Thierry Burkhard der FDP möchte sich «auf den Ernstfall vorbereiten» und der Grüne Mathias Zopfi hat kein Bewusstsein dafür, dass die NATO in der Ukraine eine Konfliktpartei sein könnte – das sei russische Propaganda. Ob Burkhard noch daran glaubt, dass mehr Waffen zu mehr Sicherheit führen, ist unklar. Zopfi stellte mit seiner Aussage aber klar, dass er an das Narrativ vom «unprovozierten Angriffskrieg» Russlands glaubt und wenig geopolitisches Verständnis hat. Weise war jedoch die Aussage des SVP-Sicherheitspolitikers Werner Salzmann. Er sagte im Rat, dass Neutralität auch eine Frage der Wahrnehmung sei: «Die Teilnahme an diesen Übungen kann dazu führen, dass die Schweiz als Kriegspartei wahrgenommen wird.»
Ständerat: Zivis sollen bei Personalnot beim Zivilschutz dienen
Hat der Zivilschutz zu wenig Personal, sollen Zivildienstpflichtige einen Teil ihres Dienstes beim Zivilschutz leisten müssen. Und mehr ehemalige Armeeangehörige sollen Zivilschützer werden. Das hat der Ständerat beschlossen. Mit 33 zu 9 Stimmen ohne Enthaltung sagte er Ja zu den Änderungen im Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz (BZG). Die Nein-Stimmen kamen von SP und Grünen.
Nationalrat will eine «Lex China»
Ausländische Investoren sollen in der Schweiz künftig mit höheren Hürden konfrontiert werden. Der Nationalrat ist als Erstrat auf eine entsprechende Vorlage eingetreten. Mit 143 zu 46 Stimmen bei 2 Enthaltungen sagte die grosse Kammer im Grundsatz Ja zur sogenannten «Lex China» und folgte damit dem Antrag ihrer Wirtschaftskommission (WAK-N). Das Parlament hatte die Vorlage mit der Überweisung einer Motion von Ständerat Beat Rieder (Mitte/VS) angestossen.
Ständerat will keinen Beitritt zum UNO-Migrationspakt
Die Schweiz soll nach dem Willen des Ständerats dem UNO-Migrationspakt weiterhin nicht beitreten. Dieser versucht die Migration grenzüberschreitend zu ordnen. Es geht um die Rechte von Migranten aber auch um die Sicherung der Grenzen und die Bekämpfung von Schlepperbanden. Eine Mehrheit sieht keine konkreten Vorteile eines Beitritts, vielmehr überwögen die Risiken. Die kleine Kammer folgte der Mehrheit ihrer Aussenpolitischen Kommission. Als Nächstes muss sich der Nationalrat mit der Sache befassen.
Umstritten war insbesondere, inwiefern «Soft Law» indirekt Wirkung entfalten kann. Zudem wurde diskutiert, ob die Schweiz dem Präsidenten der UNO-Vollversammlung einen Brief schreibt und ihre Haltung darlegt.
Ständerat will eine halbe Milliarde mehr für den Wald
521 Millionen Franken will der Ständerat in den kommenden vier Jahren bereitstellen, um die Schweizer Wälder an den Klimawandel anzupassen. Das sind 70 Millionen mehr als vom Bundesrat vorgeschlagen. Nach dem heutigen Ständeratsentscheid muss sich der Nationalrat nochmals mit der Vorlage beschäftigen: denn die grosse Kammer hatte letzte Woche beschlossen, bei der Variante des Bundesrates zu bleiben und nicht mehr Geld für den Wald auszugeben, weil es die angespannte Situation bei den Bundesfinanzen nicht zulasse.
Verbot für Tabakwerbung: Ständerat will Ausnahmen
Am 1. Oktober 2024 bekommt die Schweiz aufgrund der angenommenen Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» erstmals ein Tabakgesetz, doch bereits wird die erste Revision von diesem im Parlament diskutiert. Der Ständerat will weiterhin kein umfassendes Werbeverbot. Wie schon im Herbst 2023 sprach sich die kleine Kammer dafür aus, Ausnahmen für mobiles Verkaufspersonal an öffentlich zugänglichen Orten im Gesetz zu verankern. Zudem sollen Tabakwerbung an öffentlich zugänglichen Orten und das Sponsoring von Veranstaltungen erlaubt bleiben, sofern die Werbung vor Ort für Minderjährige weder zugänglich noch sichtbar ist.
Kommentar Politbeobachter:
Die drei grossen in der Schweiz angesiedelten Tabakkonzerne Philip Morris, Japan Tabacco International und Britisch American Tabacco sorgen in unserem Land für rund 6.000 Arbeitsplätze und sind für rund 1% des Schweizer Bruttoinlandprodukts verantwortlich. Sie profitieren bei uns von den im internationalen Vergleich lockeren Regelungen und haben ein starkes Interesse, dass diese bestehen bleiben. Die Tabakbrache ist im Vorstand von Economie Suisse präsent und hat indirekte Interessensvertreter im Schweizerischen Gewerbeverband. Weil es auch einige Tabakbauern in der Schweiz gibt, ist zudem auch der Bauernverband oft im Sinne der Tabakindustrie unterwegs. All dies erklärt, weshalb das Parlament schon über Ausnahmen zu einem Gesetz debattiert, welches noch nicht einmal in Kraft getreten ist und warum die Schweiz auf dem «Tabaklobby-Index» den vorletzten Platz belegt.
Individualbesteuerung: Nationalrat packt umstrittenes Thema an
Sollen künftig alle unabhängig von ihrem Zivilstand selbst eine Steuererklärung ausfüllen oder werden verheiratete weiterhin zusammen veranlagt? Der Nationalrat befasst sich mit der von den FDP-Frauen eingereichte Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» (auch «Steuergerechtigkeits-Initiative» genannt) sowie mit dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates, dem Bundesgesetz über die Individualbesteuerung. Ziel ist, die sogenannte «Heiratsstrafe» abzuschaffen. Je nach Variante variieren die dadurch verursachten Steuerausfälle von einigen Hundert Millionen bis zu einer Milliarde Franken.
Kommentar Politbeobacher:
Bereits 1984 hat das Bundesgericht in einem Leiturteil festgehalten, dass die Schlechterstellung von Verheirateten abgeschafft werden sollte (Heiratsstrafe). Seither hat es verschiedene politische Anstrengungen gegeben, bisher jedoch ohne Erfolg. Ökonomen des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP an der Universität Luzern haben untersucht, wer von den Besteuerungsänderungen profitieren würde – wenig Überraschend primär die am besten verdienenden 20% der Bevölkerung.
«Beyond Gravity»: Nationalrat gegen Verkauf der RUAG-Tochtergesellschaft
Der Bundesrat will sich von dem Unternehmen mit 1300 Mitarbeitenden trennen und dies zu einem hohen Preis verkaufen. Dagegen setzte sich die Sicherheitspolitische Kommission zur Wehr und erhielt für Ihren Vorstoss Rückendeckung vom Nationalrat. Auch dort will eine Mehrheit dem Verkauf des staatlichen Raumfahrtunternehmens «Beyond Gravity» einen Riegel schieben. Die Hauptargumente: Die Tochtergesellschaft der Ruag International habe eine «strategische Dimension» für die Schweiz, sei sicherheitsrelevant und zudem handle es sich um einen Technologiebereich mit internationaler Ausstrahlung.
Kapitalzuschuss für die SBB – Corona-Spätfolgen
Nach mehrfachem Hin und Her einigten sich Nationalrat und der Ständerat. Die Nationalrätinnen und Nationalräte sind der kleinen Kammer gefolgt und haben den Zuschuss von 1.15 Milliarden Franken auf 850 Millionen Franken gekürzt. Der einmalige Kapitalzuschuss soll den SBB helfen, die Folgen der Ertragsausfälle im Fernverkehr während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022 zu bewältigen. Das Parlament hatte dies mit einer Motion verlangt.
«Unterschriften-Bschiss»: Bundeskanzler mit Fragen gelöchert
Fragestunde im Nationalrat: Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier fordern Aufklärung zum «Unterschriften-Bschiss». Private Firmen sollen im grossen Stil beim Unterschriftensammeln für Volksinitiativen betrogen haben. Bundeskanzler Viktor Rossi rekapitulierte die Ereignisse. Schon 2019 sei die Bundeskanzlei über «mutmassliche Unregelmässigkeiten und Auffälligkeiten in Gemeinden des Kantons Waadt» informiert worden und hätte entsprechende Abklärungen getroffen. Mit der Pandemie sei das Thema in den Hintergrund gerückt, erklärt der Bundeskanzler. Vor zwei Jahren hätten die Meldungen über gefälschte Unterschriften zugenommen und darauf habe die Bundeskanzlei Strafanzeige erstattet. Die laufenden Ermittlungen, das Amtsgeheimnis und die Unschuldsvermutung haben zu zurückhaltender Kommunikation geführt. Dies sei rückblickend ein Fehler gewesen.
Kommentar Politbeobachter:
Klar kann man der Bundeskanzlei jetzt vorwerfen, Sie hätte das seit längerem bekannte Problem schneller und entschiedener angehend sollen. Doch wo genau liegt das Problem? Der durch die hochgelobte Recherche von Tamedia aufgedeckte sogenannte Skandal erweist sich beim genauen Hinschauen nicht wirklich als ein solcher. Ja es wurden sehr wahrscheinlich von dubiosen, bezahlten Sammlerfirmen Unterschriften gefälscht, doch der grösste Teil wurde von den Gemeinden bei der Beglaubigung aufgedeckt. Das System der Unterschriftenkontrolle könnte optimiert werden, funktioniert jedoch im Grundsatz gut.
Das Aufbauschen des «Skandals» durch den Tagesanzeiger, das SRF und die Kampagnenorganisation WeCollect, welche seine mindestens hohe fünfstellige Zahl an Newsletter Abonnenten mit politischen Forderungen zum Thema antreibt, schaden nach unserem Dafürhalten der Demokratie. Bereits haben einige Komitees von Initiativen verlauten lassen, dass es schwieriger wird auf der Strasse Unterschriften zu sammeln, weil die Leute verunsichert sind und befürchten, dass mit Ihren Daten und Ihrer Unterschrift betrogen werden könnte.