Zweiter Tag der Pressefreiheit?
Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Am 24. Juni bestieg, der von den USA seit über einem Jahrzehnt verfolgte, australische Journalist Julian Assange, in Grossbritannien ein Flugzeug, welches ihn seiner Heimat näherbringen soll. 2010 veröffentlichte Assanges Whistleblower Plattform WikiLeaks hunderttausende geheime US-Militärdokumenten, welche amerikanische Kriegsverbrechen dokumentierten. Seither lief ein Schauprozess, der uns zeigt, wie die USA und ihre treuen Verbündeten mit kritischen Journalisten umgehen. Nun scheint dieser beendet – ein unvergesslicher und wichtiger Tag für die internationale Pressefreiheit!
Doch weshalb berichtet nun der Politbeobachter über dieses ausländische Ereignis? Eine funktionierende Demokratie braucht eine freie Presse. Das Ende der Verfolgung von Julian Assange ist wichtig für die auch in der Schweizer Verfassung verankerte Pressefreiheit. Etwas weiter ausgeholt: Unsere direkte Demokratie funktioniert nach dem Prinzip der Gewaltenteilung. Dies bedeutet, dass Legislative («Gesetze schreiben und verabschieden durch die Bundesversammlung»), Exekutive («Regieren des Landes durch den Bundesrat») und Judikative («Urteilen über Einhaltung der Gesetze durch Gerichte») getrennt und voneinander unabhängig sind. Diese drei elementaren Säulen der Staatsstruktur werden ergänzt durch die sogenannte «Vierte Gewalt» – die freien Medien. Diese sollten mittels wahrhaftiger und unabhängiger Berichterstattung Machtmissbrauch verhindern und zur freien Meinungsbildung beitragen.
Das Anwaltsteam von Julian Assange kämpfte während über einem Jahrzehnt gegen den grösstmöglichen juristischen Gegner – die US-Justiz. Die letzten rund fünf Jahre verbrachte Julian Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Grossbritannien in einer 2 x 3 Meter kleinen Zelle unter unmenschlichen Haftbedingungen. Von dort sollte er in die USA ausgeliefert werden, wo ihm 175 Jahre Haft drohten.
In den letzten Tagen scheint nun ein Deal zustande gekommen zu sein. Julian Assange soll sich im Rahmen einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium schuldig bekennen. Was wie ein Hohn klingt, ist vermutlich der einzige Weg wie der Journalist je wieder in Freiheit leben kann. Im Anschluss an sein Schuldbekenntnis und eine Verurteilung wegen Spionagevorwürfen soll Assange in seine Heimat Australien zurückkehren, da er die Haftstrafe «für seine Tat» in Grossbritannien bereits verbüsst hat. Bereits an diesem Mittwoch soll Assange vor einem Gericht in einem entlegenen US-Aussengebiet auf den Marianeninseln erscheinen. Ein hoffentlich kurzer Zwischenstopp auf dem Weg nach Australien, wo sich Assange sicherlich als erstes gesundheitlich erholen muss.
Was hat WikiLeaks aufgedeckt und wer hat mitgeholfen? Amnesty International schreibt folgendes dazu: «Chelsea Manning war Angehörige der US-Streitkräfte und als IT-Spezialistin tätig. 2010 lud Manning 400.000 den Irakkrieg betreffende Dokumente, 91.000 Dokumente zu Afghanistan, sowie ein Video von der Bordkamera eines amerikanischen Kampfhubschraubers herunter, das später unter dem Titel „Collateral Murder“ veröffentlicht werden sollte. Manning übergab alle diese Dokumente der Plattform Wikileaks von Julian Assange. Am 5. April 2010 wurden Videoaufnahmen eines Kampfhubschraubers von Wikileaks unter dem Titel „Collateral Murder“ veröffentlicht. Das Video zeigt den Beschuss und Tod irakischer Zivilisten und Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters am 12. Juli 2007 in Bagdad. In den von Manning an Wikileaks weitergegebenen Irak-Dokumenten finden sich u.a. 303 Fälle von Folter durch US- und andere Koalitionstruppen im Irak im Jahr 2010. Im November 2010 und im April 2011kam es zu Veröffentlichungen von Informationen über das Gefangenenlager Guantánamo, die ebenfalls auf den Leak von Chelsea Manning zurück gehen. Presseauswertungen des Materials ergaben, dass in Guantánamo mindestens 150 Häftlinge unschuldig festgehalten wurden und nur 220 von insgesamt 779 als gefährliche Extremisten eingestuft wurden.»
Weil Assange durch sein journalistisches Wirken illegale und unethische Aktivitäten von Regierungen und zahlreichen Institutionen öffentlich zugänglich machte, wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der Amnesty International Media Award (2009), der Global Exchange Human Rights Award (2013), der Stuttgarter Friedenspreis (2020) und der Konrad-Wolf-Preis (2023) sind einige davon. Wer mehr über diesen politischen Prozess wissen will, kann z.B. das von Nils Meltzer (ehemaligen UNO-Sonderberichterstatter für Folter) veröffentlichte Buch «Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung» lesen. Erst als Meltzer Julian Assange im Gefängnis besucht und die Fakten recherchiert, durchschaut er das Täuschungsmanöver diverser Staaten und beginnt den Fall als das zu sehen, was er wirklich ist: die Geschichte einer politischen Verfolgung. An Assange sollte ein Exempel statuiert werden – zur Abschreckung aller, die die schmutzigen Geheimnisse der Mächtigen ans Licht ziehen wollen. Dazu ist es nun wohl glücklicherweise nur teilweise gekommen. Einer der grössten Helden unserer Zeit ist bald wieder frei!
Quellen: