Um was geht’s bei der Biodiversitätsinitiative?

Die eidgenössische Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft», kurz Biodiversitätsinitiative, wurde 2020 eingereicht. Mit der Vorlage wollen die Initianten Natur, Ortsbilder und schöne Landschaften erhalten. Der Bund soll in Absprache mit den Kantonen Schutzobjekte definieren. Eingriffe wären dort nur noch möglich, falls überwiegende Interessen von kantonaler oder gesamtschweizerischer Bedeutung vorlägen, wie dies etwa bei der Energieversorgung der Fall wäre. Der Bund soll zudem Massnahmen der Kantone zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität unterstützen. Ein wichtiges Anliegen der Vorlage ist der Erhalt der Biodiversität. Gemäss aktuellem Forschungsstand ist eine Schutzfläche von etwas über 30 Prozent nötig, um den Artenschwund aufzuhalten. In der Initiative ist kein Flächenziel formuliert. Doch mit einer besseren Vernetzung und Stärkung bereits bestehender Schutzgebiete soll in diese Richtung gearbeitet werden – mit finanzieller Förderung des Bundes. Wie viele finanzielle Mittel zusätzlich zur Verfügung gestellt werden sollen, definiert die Initiative nicht. Im Parlament wurde die Initiative sowie ein indirekter Gegenvorschlag diskutiert, der vom Bundesrat ausgearbeitet und vom Nationalrat unterstützt wurde. Der Ständerat trat aber nicht auf den Gegenvorschlag ein somit kommt die Initiative nun zur Abstimmung.

 

Bundesrat und Parlament lehnen die Biodiversitätsinitiative ab, weil sie ihnen zu weit geht. Sie würde die (nachhaltige) Energie- und Lebensmittelproduktion stark einschränken, die Nutzung des Waldes sowie touristische Infrastrukturen im ländlichen Raum erschweren und das Bauen verteuern. Die einheimische Versorgung würde geschwächt und die Importe von Energie, Nahrungsmitteln und Holz nähmen zu. Zudem würden die Kompetenzen sowie der Handlungsspielraum der Kantone und Gemeinden beschnitten und es bräuchte zusätzliches Geld. Ausserdem gebe es bereits ausreichend Instrumente und gesetzliche Bestimmungen zur Biodiversitätsförderung.

Kommentar des Politbeobachter

Die Natur ist unter Druck, wir sind immer mehr Menschen, die immer mehr Lebensmittel brauchen und immer mehr Raum einnehmen. Automatisch verdrängen wir Tiere und Kleinstlebewesen aus ihren Lebensräumen.

Dass der Schutz und Erhalt der Biodiversität wichtig ist, ist unbestritten. Die Initiative kommt aber ohne konkrete Lösungen oder Massnahmen daher.

Die Initiative vereint verschiedene Themen. Nebst mehr Flächen für die Biodiversität sollen auch Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler als unantastbare Schutzobjekte deklariert werden. Es handelt sich also auch um eine Art Heimatschutzinitiative. Zwei so komplexe Themen in einer Initiative zu vereinen macht das ganze unübersichtlich.

Die Biodiversität als wichtiges Thema, hat eine eigene Initiative verdient, die sich für konkrete Lösungen ausspricht.

Die Bauern tun auf freiwilliger Basis viel mehr, als verlangt und sind auch bereit, die Qualität der bestehenden Flächen zu optimieren. Landwirte, die für Ihren Betrieb Direktzahlungen erhalten wollen, müssen mindestens 7% Biodiversitätsfläche haben – so die geltende Regelung. Aktuell dienen jedoch bereits 19 Prozent der Landwirtschaftsflächen explizit der Förderung der Biodiversität. Das entspricht 195’000 Hektaren Land oder der Grösse der Kantone Zürich und Zug zusammen.

Die inländische Lebensmittelproduktion sinkt weiter, wenn noch mehr fruchtbares Kulturland für die Biodiversität ausgeschieden wird. Das ist gesamthaft betrachtet schlecht für die Umwelt und widerspricht zumindest teilweise den Verfassungsartikeln für Landesversorgung (BV 102) und Ernährungssicherheit (BV 104a). Die Schweizer Lebensmittelproduktion und ein damit verbundener hoher Selbstversorgungsgrad erleichtert es der Schweizer Politik unabhängig vom Ausland souveräne Entscheidungen zu treffen. Das Vorhandensein von ausreichend lokal produzierten Lebensmitteln ist auch aus diesen Überlegungen grundsätzlich erstrebenswert.

Zurück zum Umweltthema: Obwohl wir nur ungefähr die Hälfte unseres Essens in der Schweiz importieren, fallen 70 Prozent der Umweltwirkung im Ausland an. Bei Annahme der Initiative müssten wir also zusätzliche Flächen im Ausland belegen, um die Versorgung unserer Bevölkerung sicherzustellen. Die Initiative steht also im Widerspruch zur aktuellen Diskussion über Versorgungs- und Ernährungssicherheit.

Die Biodiversitätsinitiative hat einen grundlegenden Fehler. Sie geht davon aus, dass es darum geht Nahrungsmittelproduktion gegen Biodiversität auszuspielen. Entweder – oder. Die Förderflächen, wie sie die Initiative vorsieht, werden separat ausgemessen. Eine Mischform, mit möglichst viel Pflanzenvielfalt in den Kulturen selbst ist nicht oder nur teilweise vorgesehen. Gemischte biodiverse Produktionsflächen wären also nicht als Biodiversitätsfläche anerkannt, obwohl diese Form noch viel mehr und auf insgesamt viel grösserer Fläche Lebensraum für Kleinstlebewesen zur Verfügung stellen könnte.

Auch spannend wären folgende Fragen, die eigentlich im Kontext des Abstimmungskampfs diskutiert werden müssten:

  • Wieso ist Biodiversität in den Städten kein Thema?
  • Gäbe es auch andere Flächen die aufgewertet werden könnten? Zum Beispiel entlang von Autobahnen?
  • Wie viele geschützte Flächen bestehen bereits? Wie sind diese unterteilt? Wie steht die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern da?

Was sind die drei Hauptargumente der Befürworter?

  • Wir brauchen Biodiversität, um zu überleben, denn eine vielfältige Natur sorgt für sauberes Wasser, fruchtbare Böden, Bestäubung und gesunde Nahrung. Sie ist von unschätzbarem Wert für uns und deshalb müssen wir sie erhalten.
  • Ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten ist gefährdet oder bereits ausgestorben. Die Hälfte der Lebensräume ist bedroht. Das ist alarmierend und trifft uns Menschen direkt. Ein Beispiel: Ohne Bienen, Schmetterlinge & Co. keine Bestäubung, ohne Bestäubung keine Nahrungsmittel wie Beeren, Früchte und Gemüse.
  • Eine intakte Natur hilft gegen dem Klimawandel: Moore und Wälder binden riesige Mengen CO2. Bäume und Gewässer sorgen für Abkühlung. Natürliche Flussläufe helfen gegen Hochwasser, gesunde Wälder schützen das Berggebiet vor Lawinen und Murgängen. Klimaschutz und Naturschutz müssen zusammen angepackt werden.

Weitere Argumente der Befürworter:

https://www.biodiversitaetsinitiative.ch/

Was sind die drei Hauptargumente der Gegner?

  • Schwächung des Berggebiets und des Tourismus: Das Berggebiet und der Tourismus sind auf Infrastrukturen angewiesen. Die Initiative würde deren Realisierung stark einschränken.
  • Hohe Kosten: Der Bundesrat schätzt die für die Umsetzung der Initiative erforderliche Mittel auf 375-443 Millionen Franken pro Jahr. Er geht aber auch davon aus, dass zusätzliche indirekte Kosten anfallen würden.
  • Verhinderung der einheimischen, nachhaltigen Energieproduktion: Die Umsetzung der Schweizer Energiestrategie und damit auch die Energiewende wären bei einer Annahme erschwert.

Weitere Argumente der Gegner:

https://biodiversitaetsinitiative-nein.ch/

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