Hat Cassis Angst vor der Bevölkerung?

Der Bundesrat hat entschieden, die völkerrechtlichen Verträge mit der EU nur dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Eine Mehrheit der Kantone hätte somit kein Vetorecht. Obwohl die endgültige Entscheidung über die Referendumsart erst vom Parlament im Sommer getroffen wird, ist dieser Entscheid richtungsweisend. Es wäre eine grosse Überraschung, wenn die Räte den Bundesrat hierzu korrigieren.

Begründet wird der Entscheid damit, dass auch bei den bilateralen I und II nur das fakultative Referendum angewendet worden sei. Kohärenz in den Entscheidungen und Kontinuität in der Schweizer Europapolitik seien wichtig – daher die tiefere Hürde, welche kein Ständemehr voraussetzt. Auf Frage von SRF-Bundeshausredaktor Andy Müller, ob durch den Entscheid die Chancen der EU-Verträge an der Urne erhöht werden sollten, sagte Cassis: «Wir können nicht verneinen, dass es bei diesen Abwägungen auch ein taktisches Element gibt.» Gemäss dem Nebelspalter ist der Entscheid im Bundesrat knapp mit 4:3 gefallen. Die beiden SVP-Bundesräte und Karin Keller-Sutter waren mit guten Argumenten für das obligatorische Referendum in der Minderheit. Weil die neuen Verträge in die Zuständigkeit der Kantone eingreifen, im Bereich Energie, Verkehr und Subventionen müssten diese auch mitbestimmen können. Auch die Relativierung des Stimmrechts der Bürger und die Tragweite der Verträge, die mit derjenigen vom dem Ständemehr unterstellten Freihandelsabkommen von 1972 oder derjenigen vom EWR 1992 vergleichbar ist, sprechen für ein obligatorisches Referendum.

Kommt nun ein Referendum mit vier Bögen? Vermutlich schon! Der Bundesrat hat bestätigt, dass er um die Einheit der Materie zu gewährleisten dem Parlament vier separate, referendumsfähige Bundesbeschlüsse vorlegen will: Einen für die sogenannte Stabilisierung der bilateralen Beziehungen und drei für die zusätzlichen Verträge in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Strom und Gesundheit. Per Medienmitteilung hat die SVP angekündigt, für eine Abstimmung zu den Verträgen zu sorgen und verwendete deutliche Worte: «Zuerst versteckt der Bundesrat den EU-Unterwerfungsvertrag vor dem Parlament. Dann will er ihn nicht einmal dem Souverän unterbreiten. Das ist vollkommen inakzeptabel. In unserer direkten Demokratie haben nämlich Volk und Kantone das Sagen. Mit seinem Vorgehen stellt sich der Bundesrat gegen die Schweizer Demokratie.»

Nicht nur die SVP bekämpft die EU-Verträge. Auch die Initianten der Kompass-Initiative sorgen für Gegenwind und haben bereits rund 80.000 Unterschriften gesammelt. «Mit einem Volks- und Ständemehr zu den EU-Verträgen vorausschauend Rechtssicherheit schaffen». Das ist das Ziel der Initianten. Damit die Einreichung wie geplant bereits im Sommer stattfinden kann, braucht es noch einige Unterzeichnungen. Hier geht’s zum Unterschriftenbogen. In etwa dann, wenn die Vernehmlassung zu den Verträgen startet und diese im Originaltext erstmals publik werden, steht also bereits eine Volksinitiative dagegen und das Referendum ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das Thema wird also definitiv noch viel zu reden geben.

 

Quellen:

https://www.news.admin.ch/de/newnsb/nZPui4ybDJRNFN-qkQtS5

https://www.srf.ch/news/schweiz/entscheid-des-bundesrats-fuer-die-eu-vertraege-soll-es-kein-staendemehr-brauchen

https://kompasseuropa.ch/wp-content/uploads/2025/04/20250429_Prasentation_MK_final.pdf

https://www.svp.ch/aktuell/publikationen/medienmitteilungen/eu-unterwerfungsvertrag-der-bundesrat-will-dem-volk-das-stimmrecht-entziehen/

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=SEpeDLYuN4s

 

Diesen Beitrag teilen: