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Um was geht’s bei der Kostenbremse-Initiative?

Die Initiative der Mitte-Partei verlangt eine Kostenbremse im Gesundheitswesen, die dann Wirkung entfalten soll, wenn die Gesundheitskosten stärker steigen als die Löhne. Ärzte, Spitäler, Pharmaindustrie und Krankenversicherer sollen nach der Annahme der Initiative verbindliche Massnahmen zur Kostendämpfung vereinbaren. Falls keine Übereinkunft getroffen werden kann oder falls die Gesundheitskosten zwei Jahre nach der Annahme der Initiative mehr als 20% über der Entwicklung der Nominallöhne liegen, müssten Bund und Kantone die Stabilisierung verbindlich herbeiführen, die Kostenbremse müsste spätestens ab 2027 Wirksamkeit entfalten. Die Mitte argumentiert, dass sie mit ihrer Initiative die Ursache der steigenden Prämien bekämpfe, weil die Verantwortung zur Kostenkontrolle auf Akteure, Kantone und Staat überbunden wird. Das Sparpotential soll rund ein Fünftel der Gesundheitskosten pro Jahr betragen (also einem Betrag von bis zu sechs Milliarden Franken). Die Berechnungen stammen aus der Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) von 2019 zum Effizienzpotential bei den KVG-pflichtigen Leistungen. Gemäss Studie sind 6 Milliarden Einspahrungen möglich, ohne Rationierung, Leistungsabbau und Zweiklassenmedizin.

Wie genau die Kostenbremse ausgestaltet sein soll, regelt die Initiative nicht. Details müssen später im Rahmen eines Gesetzes ausformuliert werden. Erwähnung finden Massnahmen wie bspw. Tarifkürzungen für den Fall, dass bestimmte Eingriffe zu häufig vorgenommen werden oder eine Regulierung von Preisen für bestimmte Leistungen, welche gemäss den Initianten in der Schweiz derzeit zu hoch verrechnet werden.

Kommentar Politbeobachter:

Das es rasch wirksame Massnahmen gegen das Kostenwachstum im Gesundheitswesen braucht, ist unbestritten. Die Initiative geht aber leider zu wenig darauf ein, dass ein Teil des Kostenwachstums nicht beeinflusst werden kann, beispielsweise aufgrund der demografischen Entwicklung oder medizinischer Innovation. Wir haben heute mehrheitlich freien Zugang zu qualitativ hochstehenden medizinischen Leistungen und es gibt nur geringfügige Wartezeiten. Der Vorschlag für finanzielle Zielvorgaben könnte möglicherweise zu einer «Deckelung der Leistungen» führen, was wiederum nicht im Interesse der Patienten wäre.

Aus staatspolitischer Sicht stellt sich zudem die Frage, ob die Initiative in der vorgesehenen Form umgesetzt werden kann: Für Gesundheitsbelange sind die Kantone zuständig (Subsidiaritätsprinzip), mit der Initiative sollen die Kosten des Gesundheitswesens aber zentral vom Bund gesteuert werden.

Andererseits ist zu beachten, dass die Initianten und die Analyse der ZHAW viel Sparpotential in Bereichen lokalisieren, die lediglich zu Lasten der enormen Gewinne der Pharmaindustrie, einiger Dienstleister und anderer Interessengruppen gehen und daher durchaus ohne Qualitätsverlust realisierbar sind.

Parlament und Bundesrat unterstützen grundsätzlich das Ziel der Initiative, wonach die Kostenentwicklung gebremst werden soll. Da der vorgeschlagene Mechanismus aber als zu starr empfunden wird, wurde ein indirekter Gegenvorschlag ausgearbeitet. Der Gegenvorschlag sieht vor, dass der Bundesrat in Absprache mit den Akteuren des Gesundheitswesens alle vier Jahre festlegt, wie stark die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung höchstens steigen dürfen. Auch die Kantone können eigene Kosten- und Qualitätsziele festlegen, wobei sie die Vorgaben des Bundesrates berücksichtigen und die Versicherer, Versicherten und Leistungserbringer vorgängig anhören. Im Gegensatz zur Initiative berücksichtigt der indirekte Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament den Umstand, dass es nachvollziehbare Gründe für den Kostenanstieg gibt. Zudem würde mit dem Gegenvorschlag die nötige Transparenz bei den Gesundheitskosten geschaffen. Alle Akteure müssten aufzeigen, welche Anteile des Kostenwachstums gerechtfertigt sind.

Auch spannend wären folgende Fragen, die eigentlich im Kontext des Abstimmungskampfs diskutiert werden müssten:
  • Wie gross ist der administrative Aufwand der Krankenkassen (Marketing, Werbung, Vergaben, Sponsoring) im Verhältnis zu den entstehenden Kosten und sind solche Ausgaben bei einer Pflicht-Krankenkasse nötig?
  • Welche konkreten Massnahmen werden gegen das überhöhte Preisniveau in der Schweiz für identische Medikamente, Hilfsmittel, Dienstleistungen im Gegenvorschlag zur Initiative getroffen?
  • Was könnte ein Versicherungsmodell weg von «all you can eat», dem wir heute folgen hin zu einer Basiskrankenversicherung  finanziell bewirken und wurde diese Frage bereits einmal aufgegriffen?
Was sind die Argumente der Befürworter?
Zusammenfassung:
  • Falsche Anreize: Weder Pharmaindustrie, Krankenkassen, Spitäler noch Kantone haben heute die richtigen Anreize, um zu sparen. Im heutigen Gesundheitswesen gebe es viele Fehlanreize, weil mehr Leistungen zu mehr Gewinn und damit zu der unkontrollierten Kostenexplosion führten.
  • Keine Verpflichtung aller Akteure zum Sparen: Mit der Kostenbremse-Initiative würden alle Akteure verpflichtet, Verantwortung für die Kostenentwicklung zu übernehmen, schlimmstenfalls würden Bund und Kantone eingreifen.
  • Viel Effizienzpotential ohne Verschlechterung der medizinischen Leistungen: Mit der Digitalisierung (elektronisches Patientendossier), dem günstigeren Einkauf von Medikamenten bspw. im Ausland, mit dem Einsatz von Generika anstelle von Originalmedikamenten, mit einer Preisregulierung beispielsweise für Blutuntersuchungen (welche in der Schweiz rund 30 Mal teuer ist als in Deutschland) wären massive Einsparungen möglich. Ambulante Behandlungen könnten stationären vorgezogen werden. Die Befürworter betonen, dass das Sparpotential ohne Qualitätseinbussen realisiert werden könnte.
Was sind die Argumente der Gegner?
Zusammenfassung:
  • Keine Kopplung an die Wirtschaftsentwicklung: Die Gegnerschaft der Kostenbremse-Initiative weist auf die Schädlichkeit der Initiative hin und bezeichnet den Mechanismus der «Kostenbremse» als absurd, insbesondere die Kopplung der Gesundheitsausgaben an die Wirtschaftsentwicklung.
  • Zweiklassenmedizin: Das Nein-Komitee zeichnet ein sehr düsteres Bild für den Fall der Annahme der Initiative und nennt die Nichtbezahlung von Leistungen durch die obligatorische Krankenversicherung, Rationierung, lange Wartezeiten für grundversicherte Patienten und eine daraus resultierende willkürliche Zweiklassenmedizin als Hauptargumente gegen das Anliegen.
  • Kostendeckel trifft Gesundheitspersonal: Der Sparzwang verstärkt den Fachkräftemangel und führt zu Versorgungsengpässen.
  • Das Nein-Komitee weist zudem drauf hin, dass die Kostenbremse-Initiative der Pflegeinitiative widerspreche.

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